Noch setzen Flugzeuge hauptsächlich auf klimaschädliches Kerosin. Künftig könnten Treibstoffe aber auch aus Sonnenenergie, Wasser und CO2 hergestellt werden.

Foto: APA/dpa/Julian Stratenschulte

Der weltweite Flugverkehr ist alles andere als sauber: Rund 3,5 Prozent trägt er laut einer Studie zum Klimawandel bei. Ein Grund dafür ist, dass nach wie vor großteils mit klimaschädlichem Kerosin geflogen wird. Aber auch Kondensstreifen und daraus resultierende sogenannte Kondensstreifen-Zirren, also Wolken aus Eiskristallen, die Flugzeuge in großer Höhe erzeugen, tragen zum Klimawandel bei, weil sie die Wärmeabstrahlung der Erde verringern, heißt es in der Studie.

Umso mehr versuchen Wissenschafterinnen seit längerem, den Flugverkehr auf nachhaltigere Beine zu stellen. Eine Möglichkeit, die zunächst etwas ungewöhnlich klingt, ist es, aus Sonne und CO2 Flugzeugtreibstoffe herzustellen. Sogenannte Solartreibstoffe sollen künftig eine Alternative zu fossilen Treibstoffen sein und Flugreisen klimaneutral machen. Eine erste Pilotanlage gibt es bereits. Doch der großflächige Ausbau könnte noch einige Zeit dauern.

Sonnenlicht bündeln

Ein Start-up, das künftig Solartreibstoffe herstellen will, ist Synhelion. Auf einer acht Hektar großen Versuchsanlage in Deutschland hat das Zürcher Unternehmen 2.000 Spiegel neben- und hintereinander aufgestellt, die dem Stand der Sonne folgen. Die Spiegel bündeln das Sonnenlicht auf einen speziellen Lichtempfänger, der an einem großen Turm angebracht ist. Dieser wandelt das Licht in Prozesswärme von 1.000 bis 1.500 Grad Celsius um.

In der Anlage in Jülich bei Köln bündeln tausende Spiegel das Sonnenlicht auf einen Empfänger.
Foto: Synhelion

Im Inneren des Turms spaltet dann ein Reaktor mithilfe der Wärme Wasser in Wasserstoff und Kohlendioxid in Kohlenmonoxid auf, aus dem dann ein Synthesegas hergestellt wird, erklärt Carmen Murer, Sprecherin von Synhelion, im STANDARD-Gespräch. Ein Teil der Wärme wird zudem in einem Speicher gespeichert, sodass der Reaktor auch weiterbetrieben werden kann, wenn die Sonne nicht scheint, etwa in der Nacht. Durch standardisierte Verfahren lassen sich aus dem Synthesegas schließlich wieder Treibstoffe wie E-Diesel oder E-Kerosin für den Flugverkehr produzieren.

Verbrennung umgekehrt

Gewissermaßen wird in der Anlage damit der normale Verbrennungsprozess umgekehrt: Bei der Verbrennung von Kerosin wird normalerweise Hitze, CO2 und Wasserdampf frei. In dem Reaktor von Synhelion soll aus Hitze, CO2 und Wasserdampf wieder brennbarer Treibstoff werden.

Mithilfe der hohen Temperaturen wird im Reaktor das Synthesegas für das E-Kerosin hergestellt.
Foto: Synhelion

Der Vorteil laut Murer: Anstatt wie sonst zuerst Solarstrom zu erzeugen, daraus Wasser durch Elektrolyse zu Wasserstoff und dieses mit CO2 und einer Methanisierung zu Synthesegas und dann zu Treibstoffen zu verarbeiten, nutze das Unternehmen für die Herstellung der Solartreibstoffe gleich direkt die Wärme von der Sonne vor Ort. Dadurch seien weniger Umwandlungsschritte notwendig und die Anlagen vom Stromnetz unabhängig.

CO2 aus der Luft

In einem ersten Versuch nutzte Synhelion dafür CO2, das es von einer CO2-Abscheidungsanlage des Schweizer Unternehmens Climeworks bekam. Dieses filterte das CO2 in einer sogenannten Direct-Air-Capture-Anlage direkt aus der Luft. Sowohl Synhelion als auch Climeworks sind als Spin-off-Unternehmen nach Forschungsarbeiten an der ETH-Zürich entstanden.

Statt Kohlendioxid aus der Atmosphäre abzuscheiden und wieder in der Erde zu speichern, will es Synhelion für die Solartreibstoffe verwenden. Da bei der Verbrennung der Treibstoffe wieder nur so viel CO2 frei wird, wie der Atmosphäre zuvor entzogen wurde, und nur erneuerbare Energie (Sonnenenergie) bei der Herstellung genutzt wird, ist die Verbrennung des Solartreibstoffs am Ende CO2-neutral.

Vorerst wolle man jedoch nicht CO2 aus der Luft, sondern aus anderen Quellen wie etwa aus Biogasanlagen für die Treibstoffherstellung nutzen, sagt Murer. Denn CO2 aus Direct-Air-Capture-Anlagen sei momentan noch ziemlich teuer, wodurch auch der Treibstoffpreis steigen würde. Wenn sich die Technologie in Zukunft weiterentwickelt und günstiger geworden ist, könne man dann wieder darauf zurückgreifen.

Verbrenner oder Elektro?

Aber wäre es nicht sinnvoller, gleich auf Elektroflugzeuge anstatt auf Verbrennungsmotoren zu setzen? Vor allem Start-ups, aber auch einige größere Unternehmen basteln bereits seit einigen Jahren an Elektroflugzeugen, die immer mehr Passagiere befördern können.

Das Problem mit derzeitigen Batterien sei jedoch laut Murer, dass diese viel zu groß und schwer sind, um ein Passagierflugzeug auf die notwendige Geschwindigkeit und über eine längere Strecke anzutreiben. Flüssige Treibstoffe wie etwa Kerosin hätten bezogen auf das Volumen und das Gewicht eine wesentlich höhere Energiedichte als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien. Auch die Triebwerke der Flugzeuge und die Verteilinfrastruktur könnten beibehalten werden.

Mengen noch klein

Eine Airline haben die Entwickler von Synhelion immerhin bereits an Bord: Die Swiss kündigte an, ab kommendem Jahr erste Flüge mit dem Solartreibstoff des Unternehmens zu absolvieren.

Große ökologische Verbesserungen wird die Umstellung in den nächsten Jahren wohl aber noch nicht bringen. Denn momentan hält sich die Produktionsmenge des Solartreibstoffs ziemlich in Grenzen. "Ein paar tausend Liter" CO2-neutrales Kerosin soll eine industrielle Anlage von Synhelion, die nächstes Jahr ebenfalls in Jülich in Deutschland in Betrieb gehen soll, pro Jahr herstellen, sagt Murer. Zum Vergleich: Ein Langstreckenflugzeug verbrennt rund 5.000 bis 10.000 Liter Kerosin pro Stunde.

Preise sollen fallen

2025 soll dann eine erste kommerzielle Anlage in Spanien in Betrieb gehen, wo mehr Sonnenenergie genutzt werden kann als in Deutschland. Bis 2030 soll die Technologie weiter hochskaliert werden und die Produktionsmengen dann auf 850 Millionen Liter pro Jahr steigen, sagt Murer. Das entspräche ungefähr der Hälfte des Schweizer Kerosinbedarfs. "Es gibt aber auf jedem Kontinent viele geeignete Standorte, auf denen neue Anlagen stehen könnten", sagt sie.

Auch der Preis des Solartreibstoffs soll dann in etwa mit jenem von fossilen Treibstoffen vergleichbar sein. Denn die Produktionskosten könnten dann auf ungefähr einen Euro pro Liter fallen, schätzt Murer. Wie wettbewerbsfähig die Treibstoffe sind, hängt aber auch davon ab, wie sich die Preise von fossilen Treibstoffen entwickeln.

Quotenregelung

Den gesamten Flugverkehr werde man so schnell aber nicht auf Solartreibstoffe umstellen können, sagen Experten. Den Forschern an der ETH Zürich, die auch an Synhelion beteiligt sind, schwebt ohnehin ein eher schrittweiser Wechsel vor: Sie schlagen vor, Fluglinien und Flughäfen zu verpflichten, jedem getankten Liter Kerosin einen Mindestanteil an Solartreibstoff hinzuzufügen.

Dieser Anteil könnte zu Beginn bei ein bis zwei Prozent liegen. Dadurch würden auch die Flugtickets bei Flügen innerhalb Europas nur um wenige Euro teurer werden, schätzen die Forschenden. Würde die Quote dann Schritt für Schritt erhöht werden, würde auch der Preis für solares Kerosin rasant fallen – ähnlich, wie es bereits bei Solar- und Windenergie der Fall gewesen sei. (Jakob Pallinger, 22.7.2022)