Kommentar

Fliegen muss sauber werden – die Schweiz könnte dazu einen echten Beitrag leisten, statt mit der Klimaabgabe das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen

Wenn die Klimaabgabe auf Flugtickets schon eingeführt wird, sollte man damit CO2-neutrales Fliegen fördern und nicht beliebige Subventionstöpfe füllen. Die Schweiz könnte etwas bewirken.

Michael von Ledebur
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Illustration: Peter Gut

Noch brüten die Räte im Bern über einem neuen CO2-Gesetz, aber eines ist de facto beschlossene Sache: Die Klimaabgabe auf Flugtickets kommt. Nach einem Jahr, in dem das Klima zur grossen politischen Frage unserer Zeit wurde, will man Tatkraft demonstrieren. Das ist nachvollziehbar. Aber die Klimaabgabe ist verlogen. Sie wird kaum dazu führen, dass weniger geflogen wird. Die Swiss als Hauptbetroffene befürchtet, dass sie die Abgabe gar nicht an die Passagiere überwälzen kann, weil die ausländische Konkurrenz lauert. Falls doch, ist die Abgabe mit zwischen 30 und 120 Franken zu tief angesetzt, um eine Verhaltensänderung zu bewirken – und wäre sie höher, würden Langstreckenpassagiere ins Ausland ausweichen. Von einer «Lenkungsabgabe» kann also keine Rede sein. Hinzu kommt, dass nationale Alleingänge quer zu internationalen Abgabesystemen stehen, die heranwachsen – wenn auch äusserst langsam.

Rigoroser Verzicht ist nicht mehrheitsfähig

Wer die Abgabe kritisiert, setzt sich dem Verdacht aus, insgeheim gar nicht tätig werden zu wollen. Auch eine nicht ganz perfekte Massnahme sei immerhin ein erster Schritt. Wenn aber schon eine Ticketabgabe eingeführt wird, sollte sie auch etwas zugunsten des Klimaschutzes bewirken. Dafür müssen die abgeschöpften Mittel nicht beliebigen Subventionstöpfen zugeführt, sondern so eingesetzt werden, dass das Fliegen sauberer wird. Dieser Weg erscheint als der einzig erfolgversprechende. Natürlich wäre es sinnvoll, es würde etwas weniger geflogen, aber Aufforderungen zum rigorosen Verzicht sind nicht mehrheitsfähig und vor allem rückwärtsgewandt. Fliegen ist eben auch Ausdruck von Prosperität und weltweiter Vernetzung.

An Ideen für klimaschonendes Fliegen mangelt es nicht. Aber weder der batteriebetriebene Mini-Jet noch der Brennstoffzellen-Segler werden nach derzeitigem Wissensstand je in der Lage sein, Kontinente miteinander zu vernetzen. Zudem würde es Jahrzehnte dauern, bis diese Veränderungen umgesetzt wären. Die Aviatik setzt grosse Investitionen voraus. Eine Flugzeugflotte ersetzt man nicht über Nacht. Zwar haben in den letzten Jahren technische Verbesserungen den Treibstoffverbrauch enorm gesenkt, aber diese Mittel sind langsam ausgeschöpft. Und die Prognosen sagen ein deutliches Wachstum des Flugverkehrs vor allem in Asien voraus. Wenn die Menschheit im Jahr 2050 klimaneutral fliegen soll, muss CO2-neutraler Treibstoff das herkömmliche Mineralöl-Kerosin ersetzen. Dieser Ansatz ist es, der mit den Mitteln aus der Ticketabgabe gefördert werden sollte.

«Bio fuel» im Tanklastwagen

Konventionelles und CO2-neutrales Kerosin sind chemisch identisch. Deshalb ist Letzteres mit der bestehenden Infrastruktur kompatibel. Den Tatbeweis, dass ein Jet mit alternativem Kerosin abheben kann, lieferte Mitte Januar der Flughafen Zürich – zum ersten Mal in der Schweiz. Das Haar in der Suppe kann man selbstverständlich auch hier suchen. Für das Klotener Experiment wurde Treibstoff in fünf Tanklastwagen aus Belgien angeliefert, weil die Menge zu klein für einen Güterzug war. Einige Dutzend Business-Jets konnten damit aufgetankt werden – von Hunderten, die anlässlich des WEF nach Zürich flogen. Zirka 420 Milliarden Liter Kerosin werden weltweit jährlich verbrannt; der Anteil alternativen Brennstoffs liegt bei weniger als 0,1 Prozent. Hinzu kommt, dass der gegenwärtig eingesetzte, «bio fuel» genannte Treibstoff auf Altöl sowie tierischen und pflanzlichen Fetten basiert – also auf Biomasse, die nur in begrenztem Umfang vorhanden ist. Das geschätzte – theoretische – Maximum liegt bei knapp über zehn Prozent weltweitem Anteil.

Es gibt jedoch eine Technologie, die frei von solchen Begrenzungen ist, weil sie auf Luft, Wasser und Sonnenlicht basiert. CO2 und Wasser werden unter Aufwand von Energie in Wasserstoff und Kohlenmonoxid umgewandelt, die entstehende Gasmischung wiederum wird in flüssigen Treibstoff transformiert. Damit dieser Stoff tatsächlich CO2-neutral ist, muss erstens die Energie zur Herstellung aus nachhaltigen Quellen stammen. Zweitens darf das verwendete CO2 kein Abfallprodukt eines Kohlekraftwerks oder Zementwerks sein, sondern muss aus der Luft gefiltert werden. Wirklich nachhaltig ist ein Treibstoff nur, wenn für dessen Herstellung dem Boden nichts entnommen werden muss.

Für die Airlines unerschwinglich

Das Problem beim so gewonnenen alternativen Kerosin ist nicht nur das fehlende Angebot, sondern auch sein Preis. Es kostet heute zehn Mal so viel wie herkömmliches Flugbenzin. Wenn aber im grossen Stil in die Technologie investiert würde, sänke der Preis deutlich, was wiederum die Nachfrage ankurbeln würde. Die Frage ist, wie sich diese Spirale in Gang setzen lässt. Die Fluggesellschaften sind nicht willens und angesichts relativ enger Margen wohl auch nicht fähig.

Die ökonomisch sauberste Lösung wäre eine CO2-Steuer, die alle Emission mit einem einheitlichen Preis belegt. Herkömmliches Kerosin würde teuer, die Alternativen konkurrenzfähiger. Staatliches Handeln wäre darüber hinaus nicht mehr nötig. Aber eine griffige Steuer auf globaler Ebene liegt in weiter Ferne. Es gibt einen weiteren Einwand: Die Produktion von synthetischem Kerosin ist im Anfangsstadium derart teuer, dass man den heutigen Kerosinpreis verzehnfachen müsste, um es künstlich konkurrenzfähig zu machen. Eine so hohe CO2-Steuer wäre kaum je mehrheitsfähig. Sie wäre auch unnötig, weil ja ein rasches Absinken des Preises zu erwarten ist. Kurz: Der Weg über eine Anschubfinanzierung ist vielversprechender als eine Steuer.

Eine Schweiz voller Spiegel

Die Investitionen, die nötig wären, sind gewaltig. Wollte man den gesamten Bedarf der Aviatik alleine in Europa abdecken, würde dies fast sämtliche auf dem Kontinent produzierte erneuerbare Energie verschlingen. Es müssen also neue Quellen erschlossen werden. Die naheliegende Variante sind Sonnenwärmekraftwerke. Spiegel auf einer Fläche der Grösse der Schweiz wären nötig, um die globale Nachfrage zu decken. Das scheint enorm, ist aber gemäss Fachleuten machbar. Eignen würden sich Wüsten oder Ödland, beispielsweise in Südeuropa oder Nordafrika.

Es ist klar, dass die Schweiz diese Industrie nicht im Alleingang fördern kann und dies auch nicht versuchen sollte. Entsprechende Pläne existieren auch auf EU-Ebene. Norwegen hat einen Anteil von 0,5 Prozent CO2-freiem Kerosin bereits ab diesem Jahr festgeschrieben, der vorderhand durch «bio fuel» gedeckt werden soll. Die Schweiz könnte allerdings einen wichtigen Impuls setzen und eine Pionierrolle spielen. Dies bietet sich an, weil die ETH auf diesem Feld weltweit führend ist und sich mehrere Spin-offs aus der Forschung gebildet haben – Firmen mit Wachstumspotenzial.

Eine erste Versuchsanlage wurde auf dem Dach des Maschinenlaboratoriums der ETH Zürich erstellt. Die Zürcher Firma Climeworks baut Filter, die CO2 aus der Luft filtern, und der ETH-Spin-off Synhelion plant eine erste kommerzielle Anlage zur Herstellung des Treibstoffs bis ins Jahr 2025 in Südeuropa, in Zusammenarbeit mit dem italienischen Energieunternehmen Eni.

Der Plan läge bereit

Gefragt sind nun nicht in erster Linie weitere Forschungsgelder, sondern der Einkauf alternativer Kraftstoffe. Eine Gruppe um GLP-Nationalrat Martin Bäumle, ETH-Professor Anthony Patt sowie FDP-Kommunalpolitiker und Energieexperte Peter Metzinger hat im vergangenen Herbst in einem Ideenpapier skizziert, wie das gehen soll. Dank den Mitteln aus dem Klimafonds würde Investitionssicherheit geschaffen werden. Die Gelder reichten aus, um einen substanziellen Anteil an alternativem Kerosin an den Flügen in die und aus der Schweiz zu finanzieren. Zu Beginn wäre bereits ein Ein-Prozent-Anteil eine Herausforderung, aber treten die Prognosen ein, würde immer mehr umweltfreundliches Kerosin produziert zu immer tieferen Preisen. Brancheninsider schätzen, dass er in zwei bis drei Jahrzehnten nur geringfügig über jenem für Mineralöl-Kerosin liegen wird.

Preisreduktionen durch Produktion im grossen Massstab lassen sich ziemlich klar vorhersagen, weil es dazu viele Erfahrungswerte gibt, beispielsweise aus der Automobilindustrie. Auch die Photovoltaik wird in diesem Zusammenhang gerne zitiert, die sich von einer sehr teuren zu einer der billigsten Arten der Stromproduktion gewandelt hat. Gerade dieses Beispiel zeigt aber auch die Schwierigkeiten staatlicher Förderung auf. Gefragt ist ein intelligentes Design des Fördertopfs. Eine unbefristete Subvention darf nicht das Ziel sein und auch nicht die Schaffung einer Staatswirtschaft. Anzustreben ist eine schrittweise Steigerung des alternativen Anteils bis zur CO2-neutralen Aviatik. Sobald dies gelänge, würde die Ticketabgabe überflüssig.

Kerosin statt Lawinenverbauung

Die nötigen Mittel stünden bereit. Rund 500 Millionen Franken jährlich wird die Klimaabgabe einbringen. Die Hälfte davon muss aus verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Bevölkerung zurückfliessen, unter anderem via Krankenkassenprämien. Für die andere Hälfte ist ein Klimafonds vorgesehen. Die Feinheiten der Verteilung werden momentan in Bern beraten. Wie auch immer diese ausgestaltet werden: Ein Einsatz der Mittel für Luftfahrtbelange ist angezeigt. Die Einwände gegen eine solche Zweckbindung muten technokratisch an. Fakt ist, dass Flugzeugpassagiere und Airlines die Lasten tragen werden.

Man kann das Vorhaben, eine neuartige Technologie zu fördern, als verwegen kritisieren. Aber was ist die Alternative? Die Gelder für eine Vielzahl von Zwecken zu verteilen – von der Fernwärme bis zur Verbauung gegen vermehrt abgehende Lawinen – mutet beliebig und mutlos an. Die Wirkung dürfte global gesehen verpuffen. Da ist die Idee einer gezielten Anschubfinanzierung deutlich attraktiver. Für einmal könnte die Schweiz einen relevanten Beitrag gegen den Klimawandel leisten – statt lediglich Massnahmen zu verabschieden, die in erster Linie das eigene Gewissen beruhigen.

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