Sonne und Luft als Rohstoffe genügen

Das junge Schweizer Unternehmen Synhelion hat ein neues Verfahren zur Herstellung von CO2-neutralem Flüssigtreibstoff entwickelt. Erste Pilotanlagen sind in Erprobung, das Potenzial stimmt optimistisch.

Stephan Hauri
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Synhelion hat in einer Versuchsanlage in Deutschland auf 20 000 Quadratmetern Spiegel aufgestellt, um Sonnenenergie zu sammeln.

Synhelion hat in einer Versuchsanlage in Deutschland auf 20 000 Quadratmetern Spiegel aufgestellt, um Sonnenenergie zu sammeln.

PD

Im Zug der Entwicklung alternativer, nachhaltiger Mobilitätslösungen kommt dem Thema synthetische Treibstoffe als Ergänzung zur Elektromobilität eine wachsende Bedeutung zu. Für Langstrecken-Strassenfahrzeuge, Rennwagen und Oldtimer, aber auch für Schiffe und besonders Flugzeuge sind CO2-neutrale flüssige Treibstoffe besser geeignet als Batterien.

Immerhin enthalten diese Synfuels im Vergleich mit Lithium-Ionen-Batterien 20 bis 60 Mal mehr Energie pro Volumeneinheit und sogar 60 bis 100 Mal mehr im Massenvergleich. Die theoretischen Grundlagen und die verschiedenen Verfahren zur Herstellung synthetischer Treibstoffe sind seit langem bekannt, und mittlerweile nehmen auch bereits die ersten konkreten Projekte Gestalt an.

Wind, Sonne und Wasser im Überfluss

Da planen beispielsweise Porsche, Siemens Energy und Exxon Mobil in Chile gemeinsam eine Industrieanlage zur Herstellung von nahezu CO2-neutralem Treibstoff. Vor kurzem erfolgte im Beisein des chilenischen Energieministers Juan Carlos Jobet in Punta Arenas der Spatenstich, und schon im kommenden Jahr soll die Anlage rund 130 000 Liter E-Fuel herstellen. Danach wird die Kapazität bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter gesteigert.

«E-Fuels sind eine notwendige Ergänzung zur Elektromobilität auf dem Weg zur CO2-Neutralität», hielt Karl Dums, Teamleiter Politik und Governmental Affairs bei Porsche, anlässlich des Synfuel-Forums im Rahmen der Swiss Classic World in Luzern Anfang Oktober fest. Allerdings muss die Produktion aus logistischen Gründen in Regionen erfolgen, «wo Wind- und Sonnenenergie kostengünstig und reichlich nutzbar sind».

Mit weniger Umwandlungsschritten

Mit viel Sonnenenergie will auch das ETH-Spin-off Synhelion synthetische Treibstoffe erzeugen. Schliesslich «muss man sehr viel erneuerbare Energie investieren, um CO2-neutrale Treibstoffe zu erzeugen», bestätigte Philipp Furler, CEO und Mitbegründer von Synhelion bei der Synfuel-Tagung in Luzern.

Synhelion geht jedoch einen anderen Weg mit weniger Umwandlungsschritten. Während die Porsche-Siemens-Anlage Haru Oni in Chile mit erneuerbarer Energie elektrolytisch Wasserstoff aus Wasser herstellt und diesen dann mit CO2 über die Methanisierung zu Treibstoffen verarbeitet, dreht Synhelion einfach den Verbrennungsprozess um. «Wir nutzen dabei die Solarwärme direkt, gehen nicht den Weg über die Stromherstellung», erklärte Furler. Daher bezeichnet das junge Unternehmen seine Produkte auch als Solar Fuels.

Noch in einem Labor der ETH stellte das künftige Synfuel-Team 2014 erstmals Kerosin aus CO2 und H2O her. 2016 wurde Synhelion gegründet, 2019 entstand auf dem Dach des Maschinenlaboratoriums der ETH in einer kleinen Anlage erstmals CO2-neutrales Methanol aus Luft und Sonnenlicht.

Das Kohlendioxid stammte aus einer Direct-Air-Capture-Anlage des Schweizer Unternehmens Climeworks, eines weiteren ETH-Spin-off. Derzeit werden von Synhelion in Deutschland und in Spanien Pilotanlagen betrieben, in denen die Technologie zur Herstellung von Treibstoffen mit Sonnenenergie weiterentwickelt wird.

Bis 8000 Stunden pro Jahr nutzbar

Die derzeitige Erprobungsanlage in Deutschland basiert auf einem 80 000 Quadratmeter umfassenden Feld mit Spiegeln, die dem Sonnenstand folgen, und einem grossen Turm, wo die fokussierte Sonnenstrahlung in einem Lichtempfänger Temperaturen von 1000 bis 1500 Grad Celsius erzeugt und damit den Reaktor betreibt, in dem Synthesegas – eine Mischung aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO) – hergestellt wird. Daraus lassen sich schliesslich mit den bekannten Verfahren die Treibstoffe E-Benzin, E-Diesel, E-Kerosin und E-Methanol herstellen.

Der Reaktor im Turm der Jülicher Anlage arbeitet auf Hochtouren.

Der Reaktor im Turm der Jülicher Anlage arbeitet auf Hochtouren.

PD

Zu den zentralen Vorteilen der Synhelion-Methode zählt laut Furler zudem, dass sich die Wärme auch gut speichern lässt, Nächte also leicht zu überbrücken sind. «Damit lassen sich 7000 bis 8000 Stunden pro Jahr für die Produktion nutzen», sagte der Synhelion-Chef vor dem interessierten Publikum der Swiss Classic World und wandte sich schliesslich speziell an die Liebhaber automobiler Klassiker: «Wir stellen Treibstoffe her, die ohne Modifikationen am Motor verwendet werden können.» Damit wäre auch dafür gesorgt, dass die wenigen Kilometer, die mit Oldtimern zurückgelegt werden, ebenfalls weitgehend schadstoff- und geruchsfrei wären.

Skalierbare Produktion

Bis zum Jahr 2023 will Synhelion in Deutschland eine eigene industrielle Anlage in Betrieb nehmen, die voraussichtlich zuerst nur rund 10 000 Liter pro Jahr herstellt. In den folgenden zwei Jahren soll eine kommerzielle Anlage anlaufen, in der jährlich bis zu 1,6 Millionen Liter Solar Fuel hergestellt werden. Optimistisch schaut Furler auch schon in die weitere Zukunft. Als Produktionsziel für 2030 werden von Synhelion 875 Millionen Liter pro Jahr ins Auge gefasst. Diese Menge entspricht rund 15 Prozent des Benzins und des Diesels, die in der Schweiz in einem Jahr verbraucht werden.

Selbstverständlich ist es nicht möglich, exakte Kosten und Preise für Synfuels zu nennen, denn diese sind stark von den Produktionsvolumen und den regulatorischen Einflüssen abhängig. Für Synhelion gelten als Benchmark die Kosten für die Herstellung fossiler Treibstoffe, um nicht in der Nische haften zu bleiben. Dabei werden die Skaleneffekte eine sehr wichtige Rolle spielen. Ziel jedenfalls sind Produktionskosten von weniger als 1 Franken pro Liter.

Finanzielle Unterstützung erhält Synhelion nun vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Das BMWi will die Herstellung synthetischer Treibstoffe in Deutschland ausbauen und unterstützt dafür das Forschungsprojekt Solar Fuels mit einer Fördersumme von 3,92 Millionen Euro. Ziel des Projektes ist der Aufbau und Betrieb der weltweit ersten Anlage zur industriellen Produktion von solaren Treibstoffen im Brainergy Park Jülich, Nordrhein-Westfalen. Endprodukte werden solares Kerosin und Benzin sein.

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